Wie lernt man, einfach loszuplappern?

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Werniman
Bilingual Newbie
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Wie lernt man, einfach loszuplappern?

Beitrag von Werniman »

Hallo,
ich habe ein Problem, das wohl viele Englisch-Lernende haben: Verstehen (hören/lesen) klappt ganz gut, aber man tut sich mächtig schwer damit, die Sachen auch selbst anzuwenden, weil man Angst hat, nur Blödsinn zu reden. Da ist wohl unsere Erziehung nicht ganz unschuldig, denn zumindest die älteren Semester wurden oft nach dem Motto aufgezogen: "Mach´s richtig oder machs gar nicht!"). Der Englischunterricht in der Schule machte das nicht gerade einfacher, wenn man von Mitschülern ausgelacht wurde, wenn man Fehler machte. Das ist das gleiche Prinzip, dass die meisten Schüler immer daran hinderte, im Musikunterricht allein was vorzusingen oder ein Gedicht aufzusagen.

Das merke ich bei mir selbst auch immer wieder: Ich kann ohne größere Probleme englische Texte (z.B. auf Webseiten oder auch Bücher) verstehen (sofern es thematisch nicht über meinen Horizont hinausgeht). Auch Gesprächen kann ich die meiste Zeit folgen.  Wenn ich selbst englische Texte schreibe, verfasse ich die zwar erstmal selbst, aber prüfe unwillkürlich den Text nochmal mit DeepL (einem Onlineübersetzer). Mit dem Ergebnis, dass das, was der Übersetzer produziert hat, sich meist kaum von meiner Version unterscheidet und ich zu dem Schluß komme "Toll, so hätte ich das allein auch hingekriegt!". Sprich: ich merke, dass ich gar nicht so schlecht bin, wie ich mir  selbst einrede.

Noch nerviger sind diese Hemmungen aber beim Sprechen, denn da hab ich ständig im Hinterkopf  "Hoffentlich erzählst du nicht gerade Blödsinn!". Interessanterweise merke ich aber, dass es durchaus einen Unterschied gibt, je nachdem mit wem ich spreche. Meine Frau ist Deutsche, lebt aber in den USA, auch ihr Chef dort ist Deutscher und untereinander sprechen sie auch Deutsch. Da die Kollegen und Freunde vor Ort aber natürlich Amerikaner sind, wechseln sie zum Englischen, wenn Amis dabei sind (ich glaube, das gehört sich wohl auch). D.h. ich bin auch öfters dort und merke deutlich, dass ich ganz anders agiere, je nachdem, mit wem ich spreche: allein mit Amis versuche ich natürlich korrekt zu sprechen, aber es macht mir nichts aus, wenn ich mal Fehler drin habe und es selbst merke.
Wenn ich jedoch meine Frau und ihr Chef (wohnen beide im gleichen Haus) dabei sind, merke ich, dass ich keine 3 Sätze rauskriege, weil der Kopf unwillkürlich in den "Halt die Klappe, die lachen bestimmt gleich los!"-Modus wechsle...also genau das, was einen auch in der Schule so gerne am freien Sprechen behinderte.

Habt ihr Tips, wie man da über den eigenen Schatten springen kann und sich nichts mehr daraus macht, was andere Leute von einem denken ?




Duckduck
Anglo Master
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Re: Wie lernt man, einfach loszuplappern?

Beitrag von Duckduck »

Hi Werniman, :mrgreen:
da hast du sicher vielen Lernenden aus der Seele gesprochen - und es gibt leider kein Kraut, das man aufkochen und trinken kann, um diese Krux zu umgehen... :roll:
Der einfache - und damit leider meistens ja nicht hilfreiche - Ratschlag ist: Mach einfach!
In der Regel sind wir als Deutsche viel zu unsicher, wenn wir das Risiko eingehen, einen Fehler zu machen und als dumm zu gelten. Das hast du ganz richtig geschildert, ich kenne es auch - aus meiner eher weit zurückliegenden Jugend.
Da hilft uns unser leider recht häufig angehörender Hang zur Schadenfreude - also dem Spaß daran, über das Scheitern eines anderen zu schmunzeln und gar loszuwiehern - natürlich nicht gerade weiter...
Aber ist es nicht eigentlich wunderbar, dass das Englische diesen Wesenszug eher nicht kennt, was dazu führte, dass es dieses Wort aus dem Deutschen entlehnt hat? :angel: (Wie ja auch Kindergarten und Weltschmerz usw. Seltsam, was unsere Kultur sprachlich so in die Welt exportiert...)
Was ich damit sagen will: meiner Erfahrung nach werden die wenigsten Menschen dich auslachen, wenn was komisch rüberkommt, wenn sie vielleicht auch etwas kichern, weil es möglicherweise einfach niedlich und lustig ist. (Ich erinnere mich umgekehrt an einen englischen Studienkumpel, der uns schmunzeln ließ, als er eine Party als "wirklich lieblich" beschrieb).
Aber jetzt ein wirklicher Tipp: Gewöhne dein Gehirn und deine Sprechwerkzeuge und auch deine Stimme und Ohren an das Englische, indem du Texte laut liest. Beim Schauen von englischen Filmen einfach mal Sätze laut nachsprichst - so mit Zipp und Zapp: Betonung, Intonation usw.
Sprich selber laut englisch mit dir selbst - vorzugsweise, wenn du allein bist, damit es nicht zu Weiterungen führt...
Dabei kannst du thematisch ganz frei sein. Beschreibe, wie die Wohnung aussieht, was du aus dem Fenster sehen kannst, was du gemacht hast und machen willst. Das muss überhaupt nichts Hochgeistiges sein. Wichtig ist, dass du dich ohne Publikum daran gewöhnst, laut zu sprechen. Dass du die Sorge vor dem Ende des Satzes ablegst, falls dir mal ein Wort fehlt. Ist doch egal, beschreibe so gut du kannst.

Übung Übung Übung und Freude an der wunderbaren Sprache, das wird am Ende die Lösung sein.

Viel Glück wünscht
Duckduck :chief:
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Keswick
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Re: Wie lernt man, einfach loszuplappern?

Beitrag von Keswick »

Ich kann Duckduck hier nur in allem absolut zustimmen. Was mir damals und auch heute noch enorm hilft ist der Gedanke, dass sie die meisten Muttersprachler extrem stolz und beeindruckt sind wenn ein Auslaender ihre Sprache spricht. Denn weder Briten noch Amerikaner sind bekannt dafuer Sprachen in der Schule zu lernen. Fuer die ist das ganz oft ein "wow der spricht eine Zweitsprache".

Und seien wir mal ganz ehrlich: ich habe noch nie einen Briten/Amerikaner getroffen, der in seiner eigenen Sprache keine Fehler macht (das gilt uebrigens auch fuer Deutsche). Ein gutes Beispiel fuer Briten sind tausende von Briten die "would of" statt "would have" sagen. Warum? Keine Ahnung, aber falsch ist halt doch falsch.

Rede einfach drauf los und vor allem gehe mit Fehlern locker um. Wenn dir ein Wort nicht einfaellt, dann sei ehrlich und sag "... what's the word?" und dein Gegenueber hilft dir auf die Spruenge. Wenn du dir unsicher bist wie du etwas ausdruecken sollst, dann sei ehrlich uns sag "how do I say this.." oder "I'm not quite sure how to say this". Dein Gegenueber ist dir gegenueber sehr viel nachsichtiger, als du dir selber gegenueber. 

Und wenn dir ein richtiger fauxpax passiert, dann lache darueber. Ich habe vor vielen Jahren einmal das Wort "forehead" mit dem Wort "foreskin" verwechselt. Ja mei, wir lachen heute noch manchmal darueber. 

Nur zu, du kriegst das schon hin!  :big_thumb:
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British English (BE) Sprecher.

Duckduck
Anglo Master
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Re: Wie lernt man, einfach loszuplappern?

Beitrag von Duckduck »

Keswick hat geschrieben:
  Briten die "would of" statt "would have" sagen. Warum? Keine Ahnung, aber falsch ist halt doch
Danke für die Zustimmung und beste Grüße auf die Insel, wo hoffentlich soweit alles OK ist?!!! :angel: :freu: :big_thumb:

Zu dem obigen eine Anmerkung, wenn es erlaubt ist. Es geht wohl um einen Fehler, der aufgrund der Aussprache entstanden ist:
1. Reduzierung des "a" zu "schwa" -> ähnelt dann dem nichtbetonten "o"
2. Wegfall des "h" und Zusammenziehung von "d" und "schwa"
3. "v" im Auslaut wird gerne zu "f" -> da haben wir den Salat... :shock: :lol: 

Ohne Frage falsch, aber "so isses ehm"...
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Werniman
Bilingual Newbie
Beiträge: 7
Registriert: 3. Jul 2007 12:46

Re: Wie lernt man, einfach loszuplappern?

Beitrag von Werniman »

Hallo,
Danke für alle Antworten.
Falls es interessiert:  Meine Frage kam übrigens nicht ganz von ungefähr, denn natürlich gabs einen aktuellen Grund. Ich bin nämlich gerade auf Jobsuche und hatte mich bei einer Firma im IT-Bereich beworben (ich bin ausgebildeter Fachinformatiker). In der Stellenanzeige waren "gute Englischkenntnisse" gefordert (nicht etwa "verhandlungssicher" oder "flüssiges Englisch in Wort und Schrift"...dann hätte ich mich gar nicht erst beworben). Nachdem ich am Dienstag schon ein kurzes Vorstellungsgespräch mit den Leuten vor Ort hatte (auf Deutsch), bekam ich kurz vor meinem Posting am Mittwoch einen Anruf mit einer Einladung zu einem Fachgespräch via Videokonferenz am nächsten Tag (!). Nun, Fachgespräch ist per se schon etwas, was mich generell schon unter Stress setzt, da ich mit Stress sowieso schlecht umgehen kann, und ich zudem die Erfahrung machen musste, dass beides im Fachgespräch gerne zusammenkommt. Was ich nicht wusste: die Firma wurde inzwischen von einem amerikanischen Konzern übernommen...ohne Zustimmung des Mutterkonzerns kann die deutsche Tochter hinsichtlich Personal praktisch gar nichts eigenständig entscheiden.  Heißt: ich, der sich sowieso schon unwohl fühlt, wenn mehr als 3 Augenpaare auf ihn gerichtet sind, sollte ein Fachgespräch vor insgesamt 6 Leuten führen, darunter 2 Amerikaner. Und das ganze auf Englisch.

Wie ist es gelaufen ? Nun, die Begrüßung ging mir flüssig über die Lippen. Für das obligatorische Runterbeten des beruflichen Werdegangs hatte ich mir ein paar englischsprachige Sätze vorher aufgeschrieben und gleichzeitig auf dem Monitor geöffnet..da hab ich also mehr abgelesen als frei gesprochen. Als es dann aber in den eigentlichen fachlichen Teil ging, schlugen die ursprünglich geschilderten Probleme zu und ich kriegte wieder kaum 3-4 Sätze am Stück zustande, hatte Probleme, die richtigen Worte zu finden etc.. Ich hatte wieder regelrechte Panik davor, Blödsinn zu reden. Nun, den beiden Amerikanern schien das nicht viel auszumachen und ich versuchte auszublenden, dass da noch mehr Leute zuhörten. Aber aus den Gesichtern der 4 deutschen Mitarbeiter triefte einem regelrecht mit jeder weiteren Minute mehr Überheblichkeit entgegen. Ob das nun wegen meiner sprachlichen Kenntnisse war oder wegen meiner Fachkenntnisse, kann ich schlecht beurteilen.
Nun, bei 2 der deutschen Mitarbeiter merkte man, dass die offenbar nebenbei miteinander chatteten (jedesmal,wenn einer gerade was in seine Tastatur gehämmert hatte, grinste der jeweils andere). Die genossen es geradezu, mich zu sehen, wie ich unter Stress stand, was sie dazu veranlasste, als "Bonus" auch noch dämliche Fangfragen zu stellen. Nun, ich habe wegen so eines Verhaltens in der Vergangenheit schon Vorstellungsgespräche abgebrochen, weil ich´s bestimmt nicht nötig habe, mich veralbern zu lassen. Und genau DAS habe ich dann nach insgesamt 15-20min auch getan, weil ich sonst entweder ausgeflippt wäre oder vor Aufregung einen Herzanfall vor laufender Kamera gekriegt hätte. Den Rest des Tages war ich derart aufgebracht, dass meine Schwiegermutter einen Notarzt rief, der mir ´ne große Dosis Beruhigungsmittel verpassen musste. 

Keswick
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Re: Wie lernt man, einfach loszuplappern?

Beitrag von Keswick »

Das zu lesen macht mich echt wuetend. Was bilden sich diese beiden Hampelmaenner eigentlich ein!? Aber du wirst lachen (oder auch nicht), aber das erlebe ich hier wirklich sehr sehr oft. Je kuerzer die Deutschen im Land sind, desto besser ist ihr Englisch, jedenfalls bilden sie sich das ein und die wagen es dann das Englisch der anderen deutschen Kollegen zu beurteilen. Das alleine ist schon nervig genug (vor allem wenn sie auf Deutsche mit 20+ Jahren im Land treffen) aber das kostet zumindest niemanden den Job! 

Ich weiss, da ich selber fuer eine Firma arbeite die erst letztes Jahr von einer US-Firma uebernommen wuerde, dass amerikanische Firmen sehr auf ihr Image achten und gerade deswegen finde ich es wichtig, dass du dieser Firma, anonym oder nicht, feedback zu diesem Vorstellungsgespraech gibst. Du musst nicht einmal Namen nennen! Einfach eine Email, die ihnen zeigt, dass sie aufgrund eines solchen unprofessionellen Verhaltens einen potentiell sehr guten Mitarbeiter verloren haben!
Bitte keine Korrektur- / Erklärungsanfragen per PN.
British English (BE) Sprecher.

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